Boris von Brauchitsch

Einsicht. Drei Reisen in die innerste Welt des schiitischen Islam

Fotografien von Hans Georg Berger und frühen iranischen Fotografen

Nie zuvor hat sich ein westlicher Fotograf so ausführlich mit dem Leben in den religiösen Hochschulen des schiitischen Islam in Iran befasst. Als es Hans Georg Berger zwischen 2000 und 2005 gelang, in die Abgeschiedenheit der Zentren für das Studium von Religion und Wissenschaft in Qom, Isfahan und Maschhad vorzudringen, um dort das Vertrauen der Lehrer und Schüler zu gewinnen und zu fotografieren, war das für beide Seiten eine wichtige und neue Erfahrung. Die Vielfalt der Positionen innerhalb der schiitischen Lehre wird dabei ebenso anschaulich, wie die Orte und Riten sowie der Dialog zwischen den Geistlichen als konstitutives Element. Entstanden ist darüber hinaus eine Galerie von hunderten von Porträts, die deutlich macht, dass bei unverstellter und vorurteilsfreier Sicht aufeinander die kulturellen Hürden weit weniger gravierend sind, als persönliche Sympathien und Antipathien. Gut hundert Jahre vor Berger begannen auf Initiative zweier persischer Schahs – Naser al-Din, der Vater (1831 – 1896) und Mozaffar ad-Din, der Sohn (1853 – 1907) – Exkursionen zu den heiligen Stätten im Nachbarland Irak. Naser al-Din reiste zwar offiziell als Pilger, trat jenseits der eigenen Landesgrenzen an den Grabstätten der Imame jedoch als König aller Schiiten auf und nutzte die Fotografie, um nicht nur von den Heiligtümern, sondern von ganzen Ortschaften Besitz zu ergreifen: So ließ er mehrfach seinen Hoffotografen in einem Heißluftballon aufsteigen, um Kerbala, Samarra oder Nadschaf aus der Vogelperspektive zu erfassen. Was auf diesen frühen Reisen entstand, sind faszinierende Dokumente, die heute als Teil des Kerbala-Korpus zum UNESCO-Programm Memory of the World gehören. Die Bilder aus dem Umfeld der Schahs und die Fotografien Bergers geben einen einzigartigen Einblick in innerste Welten des schiitischen Islam und sind wesentliche fotografische Projekte einer Beschäftigung mit dem Anderen. Die Gegenüberstellung offenbart zudem zwei grundsätzlich verschiedene Haltungen beim Einsatz des Mediums Fotografie: Hier die Verwendung als Instrument zur Behauptung ideologischer und territorialer Ansprüche, dort als Mittel des Austauschs und der Verständigung.

Herausgegeben von Boris von Brauchitsch und Saeid Edalatnejad

Mit Beiträgen in Deutsch und Farsi von Hans Georg Berger, Boris von Brauchitsch, Saeid Edalatnejad, Seyed Ali Moujani, Carmen Pérez-González und einem Vorwort von Catherine Choron-Baix

Gestaltet von Detlev Pusch, 248 Seiten, 200 Abbildungen

Kehrer Verlag, Heidelberg 2017, ISBN 978-3-86828-818-6

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