Boris von Brauchitsch

The Aura Of The Copy

»In Kaufhäusern warten Palettenweise berühmte Meisterwerke der Kunstgeschichte in Öl auf Leinwand für eine Handvoll Dollars auf Käufer. Selbst für Experten nicht voneinander zu unterscheiden, schmücken sie Eigenheime, Hotelzimmer, Restaurants und verbreiten jenes heimelige Flair, das nur gediegenes Handwerk zu verströmen vermag. Zugleich haben sie etwas rührendes, denn hier war tatsächlich keine Maschine am Werk, sondern fast immer der flinke Pinsel in der mehr oder weniger geschickten Hand eines Chinesen, für den Renoir oder Richter, Chagall oder Waterhouse einigermaßen exotisch anmuten dürften. Manchmal war es auch ein ganzes Team, dass die Exoten wie am Fließband produzierte, jeder einzelne verantwortlich für ein paar Pinselstriche. Diese Maler markieren den Anfang einer neuen Zeit. Noch leben wir in der Ära des Originals, doch die neigt sich spürbar ihrem Ende entgegen…«
Der Essay beleuchtet die kulturellen Unterschiede im Umgang mit Copyright, die Problematik des geistigen Eigentums und die Frage, wer das Kopieren eigentlich erfunden hat. Ist unsere Sehnsucht nach dem Original vielleicht nur kunstreligiöser Fetischismus? Und was eigentlich ist ein Original?

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